Leistungsdiagnostik - Messung der Reaktivkraft |
Die Reaktivkraft ist eine besondere Form der Schnellkraft. Unter der Reaktivkraft versteht man die Fähigkeit der Muskulatur, in der Dehnphase Energie in den elastischen Anteilen während eines sogenannten „Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ), zu speichern. Die gespeicherte Energie wird dann im Rahmen der muskulären Kontraktion freigesetzt, mit dem Ziel, die Kraftentwicklung in dieser Bewegungsphase zu erhöhen. In Sportarten mit hohen Sprintanteilen, in denen insbesondere kurze Beschleunigungen auf den ersten 5 - 20m leistungsentscheidend sind, wie es z.B. im Fußball der Fall ist, sind die leistungslimitierenden Faktoren vor allem die Maximalkraft, die reaktive Schnelligkeit sowie das muskuläre Koordinationsvermögen. Zur optimalen Trainingssteuerung bedarf es der individuellen Analyse der oben genannten Faktoren. Zur Bestimmung von reaktiver Schnelligkeit bzw. Sprungkraft werden entweder Kontaktmatten eingesetzt oder die Schuhe des Athleten mit Kraftmesssohlen bestückt. Anschließend werden standardisierte Sprünge, z. B. in Form des Drop Jumps (DJ), des Countermovement Jumps (CMJ) oder des Squat Jumps (SJ) durchgeführt. Dabei liefert die Messtechnik für beide Beine unabhängig Kraft-Zeit-Kurven, aus denen sich wichtige Rückschlüsse auf den Trainingszustand ableiten lassen. Des Weiteren gibt die Methode Hinweise auf muskuläre Dysbalancen, was eine Prävention erleichtert. Bei der Untersuchung werden Kontaktzeit, Absprung, Sprunghöhe und Landung berücksichtigt:
Kontaktzeit
(Absprung [s] )
Absprung
(Fmax Absprung [N] ) Für einen interindividuellen Vergleich der Maximalkraft im Mannschaftsgefüge ist es notwendig, sie auf das Körpergewicht bezogen (relativ) und damit normiert darzustellen (Fmax relativ).
Sprunghöhe
[cm] Kurze Kontaktzeit und hohe Fmax können ebenso wie eine lange Kontaktzeit und eine mäßig ausgeprägte Fmax zur gleichen Sprunghöhe führen, jedoch sind die Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit verschieden.
Landung
(Fmax Landung [N] )
Abb.
1 Isometrische Beinstreck-Kraftimpulskurven von vier
Fußball-Bundesligaspielern (A-D) unterschiedlichen Schnellkraft-
und Maximalkraftniveaus bei einem Messwinkel von 100 Grad. Das unterschiedliche Start- und Explosivkraftniveau von Sportlern lässt sich durch aus Kraftimpulsmessungen ermittelten Kurvenverläufen gut beurteilen und miteinander vergleichen: Aus Abb.1 ist zu entnehmen, dass die vier Spieler ein und desselben Leistungsniveaus erhebliche Unterschiede im Kraftanstiegsverlauf aufweisen, so dass Start- und Explosivkraftwerte erheblich streuen können. Spieler A weist im Vergleich zu B, C und D mit Abstand die beste Start- und Explosivkraft auf; sein Kurvenverlauf erfolgt steil und schnell. Spieler D benötigt im Vergleich zu Spieler A wesentlich mehr Zeit zum Erreichen des annähernd gleichen Maximalkraftniveaus; sein Kurvenverlauf ist wesentlich flacher. Damit ist seine Start- und Explosivkraft im Vergleich zu Spieler A wesentlich geringer ausgeprägt; im Vergleich zu Spieler A ist er bei Antritten und Sprüngen benachteiligt. Standardisierte Sprungtechniken – Drop-Jump, Counter-Movment-Jump, Squat-Jump
Der Proband steht beidbeinig und gerade auf einem Kasten, die Arme sind während der Gesamtbewegung passiv an die Hüfte angelegt. Der Proband springt vom Kasten herunter, trifft auf den Boden auf und springt dann so hoch wie möglich. Der DJ wird aus einer definierten Fallhöhe durchgeführt. Dabei wird die Sprunghöhe ermittelt, die nach einem Niedersprung aus verschiedenen Höhen (20, 40, 60, 80 cm) erreicht wird. Mit dieser Sprungtechnik wird die Kraft einschließlich der reaktiven Kraftfähigkeit getestet. Sowohl die Geschwindigkeit im Rahmen der Kniebeugung beim Auftreffen auf den Boden nach dem Niedersprung (exzentrische Phase) als auch die Tiefe der Beugung im Kniewinkel beeinflussen die Spannung in der Muskulatur und damit auch den reaktiven Anteil an den Absprungkräften. Als Parameter finden Betrachtung: Flughöhe oder –dauer, Bodenverweilzeit nach dem Niedersprung sowie das Verhältnis von Flughöhe / –dauer und Bodenkontaktzeit. Kontaktzeiten unter 170ms werden als entwicklungsmäßig günstig angesprochen. Sie lassen auf ein hohes reaktives Kraftniveau und damit auf ein „kurzes Zeitprogramm“ schließen.
Der SJ wird aus der Hockstellung ohne Ausholbewegung gesprungen. Dabei können die Arme entweder am Rumpf nach hinten angelegt oder hinter dem Kopf verschränkt werden. Da der SJ ein stato-dynamischer Sprung mit positiv dynamischer Komponente ist, lassen sich über die durch ihn ermittelten Sprungwerte Aussagen über die konzentrische Kraftfähigkeit des einzelnen Probanden ableiten. Bei dieser Sprungtechnik wird hauptsächlich die Fraktion der FT-Faseranteile, schnellzuckende Muskelfaseranteile, aktiviert. Leistungsindex ist die Sprunghöhe.
Vom oben beschriebenen SJ unterscheidet sich der Counter-Movement-Jump nur durch die Hinzunahme einer sogenannten Auftaktbewegung. Dabei wird aus der Grundstellung eine Ausholbewegung nach unten geleistet, die zum Aufbau von Vorspannung in der Sprungmuskulatur führt, so dass über die Speicherung von kinetischer Energie über die elastische Muskelkomponente eine größere Sprunghöhe im Vergleich zum SJ in der Regel möglich ist. Mit dem CMJ wird die konzentrische Kraftfähigkeit ermittelt; Leistungsindex ist die Sprunghöhe. |